Medientipps für Erwachsene
Mai-Spezial Griechische Mythologie in moderner Literatur
Prometheus, Medea, Achilles, Minotaurus, Zeus, Athene, Odysseus, Perseus, Andromeda, Theseus, Pegasus, Aphrodite, Hector, Medusa, Helena, Patroklos, Herakles, Jason, Hera, Hades, Poseidon, Penelope, Agamemnon, Kassandra, Priamos, Apoll, Castor und Pollux. Was sich wie eine Party für Name-dropping-Fans liest, ist schlicht die Auflistung einiger bedeutender Figuren der griechischen Mythologie, der mit großen Abstand prägendsten Literaturepoche aller Zeiten. Jede Form moderner Epik und Dramatik wurzelt in den Meisterwerken der Antike. Seit einigen Jahren zeichnet sich der Trend ab, die Schicksale der zauberhaften Protagonisten der griechischen Mythologie zeitgemäß nachzuerzählen. In einigen Fällen werden sie in neue Fiktion überführt, teils feministisch angehaucht bis hin zu dem Bereich erotischer Literatur. Ausgehend von Christa Wolfs humanistischer Betrachtung der Kassandra-Figur entfaltet sich eine bunte und attraktive neue Romanliteratur, die sich an alle richtet, die sich nicht durch epische Versmaße zu kämpfen wagen. Willkommen im Olymp. Oder im Hades. - Ganz wie es gefällt.
Madeline Miller: Das Lied des Achill
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Neben Rick Riordans mythologisch angehauchten Jugendbüchern, die mit „Diebe des Olymp“ ihren Anfang nahmen, zählt Madeline Millers „Das Lied des Achill“ zu den Prototypen der Neuinterpretationen der griechischen Mythologie. Die Figur des Achilles ist faszinierend. Als Kind legt ihn seine Mutter, die Meeresgöttin Thetis, in ein Feuer, das die Haut des Knaben unverwundbar härten soll. Der Vater des Jungen, König Peleus, kommt hinzu und glaubt, seine Frau habe den Verstand verloren, als er den Winzling im Feuer sieht. Rasch nimmt er eine Zange und zieht Achilles an der Ferse aus den Flammen. Die Achillesferse, der wunde oder schwache Punkt in einem System, existiert bis heute im Sprachgebrauch. Auch die Entscheidung des Helden, lieber jung zu sterben und dafür unsterblichen Ruhm zu erlangen, anstatt ein langes und glückliches Leben zu führen, an das sich keine Menschenseele erinnern wird, ist eine Metapher, die bis heute angewandt wird. Madeline Miller hat den Sagenstoff modern nacherzählt und dafür den renommierten Orange Prize for Fiction abgeräumt.
Haynes, Natalie: Stone blind – Der Blick der Medusa
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Auch die Medusa ist ein herausragender Charakter der griechischen Fantasiewelt. Wegen ihrer Schönheit von dem Meeresgott Poseidon im Tempel der Athene bedrängt, wird Medusa sowohl das Opfer des Gottes als auch der Göttin Athene, die ihren Tempel befleckt wähnt. Sie, Athene, nimmt Medusa die Schönheit und verwandelt sie in ein Wesen mit Schlangenhaaren, das kein Sterblicher direkt ansehen kann, ohne zu Stein zu erstarren. Medusa zieht sich zurück und haust abgeschieden. Doch eines Tages macht sich der junge Held Perseus auf, um die Unglückliche zu enthaupten. Gefahr zieht auf und ein Versteckspiel auf Leben und Tod beginnt. Natalie Haynes gibt der tragischen Figur Medusa ein modernes Selbstverständnis und eine Rolle, die menschlich ist und auf der Ablehnung des ihr widerfahrenen Unrechts basiert. Den Medusen-Stoff interpretierten auch Goethe, Fontane und viele Maler des 19. Jahrhunderts, als Gustav Schwabs populäre Prosa-Übersetzungen der Sagen der griechischen Mythologie erstveröffentlicht wurden und ein riesiges Publikum fanden.
Jennifer Saint: Ich, Ariadne
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Ariadne ist die Tochter von König Minos, dem Herren von Kreta. Das Problem auf Kreta ist der Minotaurus, halb Mensch, halb Stier, der jedes Jahr vierzehn junge Menschen zum Fraß fordert, damit er die Insel nicht mit Gewalt überzieht. Während König Minos dieser Forderung nachkommt, empfindet Ariadne große Abscheu gegen diese Tradition. Als sie sich in Theseus verliebt, einen der jungen Todgeweihten, gewährt sie ihm Zugang zu dem Labyrinth, in dem der Minotaurus lebt und gibt ihm einen roten Faden, damit Theseus nach dem Mord an dem Untier zurückfindet. Theseus flieht daraufhin mit Ariadne, lässt sie aber kurzerhand auf der Insel Naxos zurück. Damit endet die originale Geschichte, doch Jennifer Saint erzählt die Sage weiter, immer aus der Sicht der Heldin, die tapfer um ihr Überleben in einer feindlichen patriarchalischen Welt kämpft. Diese deutliche Aufwertung der Sage von Ariadne zählt zu den am meisten gefragten neo-klassischen Titeln in den Beständen der Leipziger Städtischen Bibliotheken.
Christa Wolf: Kassandra
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Dieses Buch drehte den Spieß erstmals um. Wie viele Jungen lasen früher die Heldengeschichten des Homer? Von Paris und der schönen Helena, von Hector und Achilles, von der Idee des Odysseus, ein hölzernes Pferd in die Stadt Troja ziehen zu lassen, aus dem in der Nacht dreißig griechische Krieger steigen, um dem wartenden Heer der Invasoren die Tore zu öffnen. Diesen Untergang Trojas sieht Kassandra, eine Priesterin im Tempel des Apollon, voraus - doch ein Fluch besagt, dass niemand ihr glauben wird. Christa Wolf erzählt die Geschichte aus der Sicht von Kassandra, eine weibliche Sicht, die den Krieg als ein Produkt männlicher Aggressivität und Machtgier verdammt. Die Fakten der griechischen Mythologie, die mit Kassandra verbunden sind, verwebt die Autorin geschickt bis in die Sklavenzeit der Priesterin, die der griechische Feldherr Agamemnon als Kriegs-Trophäe mit sich nimmt. Leid und Rache, Ohnmacht und Glanz stehen sich gegenüber. Christa Wolfs „Kassandra“ ist ein fabelhaftes Stück Literatur und ein eindrücklicher Ruf nach Frieden.
Claire Heywood: Wir Töchter von Sparta
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Die Töchter von Sparta, das sind Helena und Klytämnestra, die außergewöhnlich schönen Prinzessinnen des Königreichs, die an Menelaos und Agamemnon verheiratet werden. Auf die Hochzeiten folgt die Ernüchterung. Während die Männer anderen Frauen nachstellen, jagen und Krieg spielen, sollen die beiden Jungköniginnen sittsam die Paläste hüten und männliche Erben gebären. Der Rest ist (mythologische) Geschichte. Helena verliebt sich in Paris, einen Prinzen von Troja und türmt in dessen Heimat. Dies kann der gehörnte Menelaos nicht auf sich sitzen lassen und fleht seinen Bruder Agamemnon an, eine Streitmacht aufzustellen, die in der Lage ist, Troja in die Knie zu zwingen. Klytämnestra und Helena wehren sich in diesem historischen Roman nach Leibeskräften gegen den Krieg, gegen Bevormundung und gegen Gewalt. Ein feministischer Blick auf eine der ältesten und größten Geschichten aller Zeiten.
Katee Robert: Neon Gods – Hades und Persephone
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Anziehend und erotisch, lässt Katee Robert die Sagenwelt wiederauferstehen. Die unvergleichlich schöne Persephone, ganz in der modernen Tradition von Monica Bellucci, die im zweiten Teil der Matrix-Filme einen gleichnamigen Charakter verkörperte, flieht vor dem werbenden Zeus in die Unterwelt, in der sie Hades begegnet, der seinem Bruder Zeus nicht verzeihen kann, von diesem in die Unterwelt entsandt worden zu sein. Hades und Persephone finden, in jeder Hinsicht, zusammen. Der Gott ist zudem Persephones einzige Möglichkeit, sich dem Göttervater Zeus dauerhaft zu entziehen. Zwischen Begehren und Hingabe schmieden Hades und Persephone einen Plan, der in Rache gipfeln soll. Dieser 1. Band einer Reihe, die fünf weitere Bände umfasst, punktet mit einer starken Frau, die für sich selbst einsteht, mit jeder Menge mythologischen Verweisen und natürlich mit Erotik an außergewöhnlichen Schauplätzen.